Ingolstadt (smr) Seit gestern gibt es auch in Ingolstadt den Verein Familien in Not. Vorstands- und Gründungsmitglieder trafen sich bei Notar Bernd Wegmann. Vorbild ist die vor 20 Jahren vom Pfaffenhofener Kurier ins Leben gerufene Initiative, die mit großem Erfolg Menschen in Bedrängnis hilft.
Wenn sonst nichts mehr hilft …
Ingolstadt (DK) Zwei Frauen – ein Gedanke: Sibylle Hertel von der Tafel und Familienbeauftragte Adelinde Biank hoben vor einem Jahr den Verein Familien in Not aus der Taufe. Der hilft immer dann, wenn Andere an ihre Grenzen stoßen. Etwa, wenn Geld für eine Zahnspange oder Winterkleidung fehlt.
Die Ingolstädter mussten bei der Gründung das Rad nicht neu erfinden. Denn in Pfaffenhofen erzielt der gleichnamige Verein schon seit Jahren große Erfolge und hat viel Rückhalt in der Bevölkerung. Die Menschen sind eben besonders großzügig, wenn sie mit ihren Spenden, die über die Vorweihnacht der guten Herzen eingehen, unverschuldet in Not geratene Familien aus der eigenen Stadt unterstützen können.
Zugegeben: Es herrschte zunächst Skepsis, ob in einer Großstadt wie Ingolstadt so ein Verein Sinn machen würde, wo doch das Netz an Hilfen und Beratungsstellen so dicht geknüpft ist. Doch die Vereinsgründer hatten nie Zweifel, denn oft genug mussten sie bei ihrer Arbeit erleben, dass eben doch immer wieder Menschen durch die Maschen fallen. „Es gibt einfach so tragische Schicksale, für die keiner zuständig ist. Gerade wenn es um finanzielle Hilfen geht, geraten Beratungsstellen schnell an ihre Grenzen“, erklärt Vorstandsfrau Sibylle Hertel. „Ganz viele Fälle sind genau auf uns zugeschnitten.“
Insgesamt gingen im ersten Jahr 37 Zuschussanträge bei Familien in Not ein. In 23 Fällen – drei davon werden in den Texten unten leicht verfremdet beschrieben – wurde positiv entschieden. Vieles läuft über den Schreibtisch von Adelinde Biank, der städtischen Familienbeauftragten. Bei ihr landen die Menschen, die oft vor einem ganzen Berg von Problemen stehen und in einer Spirale von Schulden, Arbeitslosigkeit oder Krankheit stecken. „Wir ordnen diese Probleme dann nach der Dringlichkeit“, so Hertel.
Doch zuerst wird ganz genau die Bedürftigkeit einer Familie geprüft. Falls das noch keine andere Beratungsstelle übernommen hat, geht die Familienbeauftragte zu den Hilfesuchenden zu Hause, um sich ein Bild von der Lebenssituation zu machen. Es wird auch überprüft, ob eine andere Einrichtung oder Stiftung Unterstützung leisten kann. Werden zum Beispiel Möbel gebraucht, führt der erste Gang zum Caritas- Gebrauchtwarenmarkt. Fehlt Geld für einen Schullandheimaufenthalt, könnte vielleicht ein Förderverein der Schule einen Zuschuss leisten. „Vielen Leute ist es allerdings peinlich, sich an solche Vereine zu wenden“, so Hertel. „Gerade dieses letzte bißchen Würde ist so wichtig.“
Insgesamt wurden im ersten Jahr rund 25 000 Euro an notleidende Familien aus Ingolstadt verteilt. „Viel Geld stellen wir nur auf Darlehensbasis zur Verfügung, und die Leute zahlen es dann in ganz kleinen Raten zurück“, sagt Angelika Stadler, die ebenfalls zum Vorstand gehört. „Das ist den Menschen oft auch lieber so.“
Der Verein Familien in Not ist klein, aber wirksam. Er hat kein Büro und auch nicht viele Mitglieder. Wichtig sind Spenden, um möglichst vielen Menschen helfen zu können. Denn das Schicksal schlägt immer wieder zu.
Wer zweckgebunden für den Ingolstädter Verein spenden will, soll als Stichwort Familien in Not Ingolstadt angeben.
Von Suzanne Schattenhofer
Herzzerreißende Schicksale
Ingolstadt (smr) Nach zehn Jahren im Dienst der Ingolstädter Tafel weiß Sibylle Hertel, was Armut ist. Als Vorsitzende des Vereins Familien in Not, der im Oktober 2009 in Ingolstadt gegründet wurde, ist sie dem Thema treu geblieben. „Es zerreißt einem das Herz, so tragisch sind diese Schicksale“, sagt Hertel über die sieben Notfälle, derer sich der Verein angenommen hat und die bei der Mitgliederversammlung am Donnerstag vorgestellt wurden.
Hertel ist zu Verschwiegenheit verpflichtet und kann nicht ins Detail gehen. Doch ein paar grundsätzliche Probleme möchte sie ansprechen: „Von den sieben Notfällen betreffen sechs Alleinerziehende.“ Das Armutsrisiko dieser Familien ist hinlänglich bekannt und war auch eine Erkenntnis aus dem Sozialbericht der Stadt Ingolstadt. In drei Fällen geht es nach Auskunft der Vereinsvorsitzenden um tragische Krankengeschichten, die Familien nicht nur in seelische Not bringen, sondern oft auch in finanzielle.
Komplizierte finanzielle Situationen sind zu klären, bevor der Verein Familien in Not Unterstützung leistet – das gebietet allein schon der gewissenhafte Umgang mit den knappen Spendengeldern. „Oft müssen wir ein Dilemma stückchenweise wegräumen, um an den Kern des Problems zu kommen. Häufig handelt es sich um Familien, die knapp über der Grenze zu Hartz IV liegen und entgleisen“, erklärt Hertel. Gemeint sind hohe Kredite. „Und dann suchen diese Leute nicht Hilfe bei einer Schuldnerberatung, sondern wenden sich an gewisse Institute, die auch noch Geld verlangen“, so die Vorsitzende. „Aufklärung ist deshalb auch ein wichtiges Thema für uns.“
So kurz nach der Gründung sind die finanziellen Mittel des Vereins natürlich noch begrenzt. „Wir haben bisher etwa 12 000 Euro beisammen, die sind weg wie nichts, wenn man nur in einem tragischen Fall helfen will“, meint Hertel, die damit rechnet, dass die Menschen in diesem Jahr vermutlich eher für Haiti spenden werden als für Familien in Not. Dennoch habe der Verein, der bei der Sparkasse Ingolstadt ein Konto mit der Nummer 53 13 19 18 eröffnet hat, seine Berechtigung, betont Hertel: „Es gibt tatsächlich die weißen Flecken in der Behandlung tragischer Schicksale. Es macht einen sprachlos, was manche Menschen ertragen – gerade wenn es um Eltern mit kranken Kindern geht.“
Von Suzanne Schattenhofer
Keinen Schritt ohne das Sauerstoffgerät
Wolnzach (DK) An den Wänden hängen Familienfotos, kleine Puppen in Rüschenkleidchen lachen aus dem Schrankfenster im Gang. Ein Stück heile Welt in einem Alltag, der für Johann R. und seine Frau Hildegard (Namen von der Redaktion geändert) seit vielen Jahren von Krankheit und finanziellen Sorgen geprägt ist.
In der kleinen, sozial geförderten Wohnung in Wolnzach hat sich das aus München stammende Paar im Jahr 2002 häuslich eingerichtet, soweit das seine bescheidenen finanziellen Mittel erlauben. Denn Hildegard R. ist schwer krank, leidet seit vielen Jahren an COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) – eine chronische Lungenerkrankung, die sich stetig verschlimmert hat und die einst so aktive Frau schließlich auch daran hinderte, einer Arbeit nachzugehen. Heute kann Hildegard R. keinen Schritt mehr ohne ihr Sauerstoffgerät tun, das 24 Stunden an die Stromzufuhr angeschlossen sein muss. Ohne Sauerstoff könnte Hildegard R. nicht überleben, könnte ihre Lungen nicht mehr selbstständig mit ausreichend Sauerstoff versorgen. „Das Gerät ist für sie lebenswichtig“, sagt ihr Mann, der immer wieder versucht hat, eine entsprechende Stromkostenübernahme über die Krankenkasse zu erreichen. Bislang ohne zufriedenstellenden Erfolg, denn die Krankenkasse gibt nur einen kleinen Zuschuss, den Löwenanteil der rund 60 Euro, die der Betrieb des Sauerstoffgerätes jeden Monat kostet, muss das Paar selbst stemmen – was es nicht kann. Denn nur rund 500 Euro monatlich haben sie zum Leben. Der einst selbstständige Münchner Maler hat es – wie er heute selbst einräumt – einfach versäumt, finanziell für das Alter vorzusorgen.
Heute ist Johann R. selbst krank und leidet zusätzlich noch an den Folgen eines Armbruches, den er sich im letzten Jahr zugezogen hat. Auch der allgemein angeschlagene Gesundheitszustand des Mannes ist schuld daran, dass der Bruch nicht richtig heilen konnte, dass es ihm große Schmerzen bereitet, Einkaufstüten zu schleppen, von Getränkekästen gar nicht zu reden.
„Wenn es einmal losgeht, dann hört es nicht mehr auf“, meint der über 70-Jährige fast schon resignierend. Beim täglichen Gang zum Briefkasten begleitet ihn die Angst, dass der Postbote wieder eine unvorhergesehene Rechnung gebracht haben könnte. Denn jede größere Zahlung stellt das Paar vor neue existenzielle Sorgen.
In tiefer Verzweiflung hatten sich die Beiden daher an den im Landkreis Pfaffenhofen seit dem Jahr 1990 tätigen Verein „Familien in Not“ gewandt, als das Energieversorgungsunternehmen mit der Stromabschaltung drohte, weil die Rechnung nicht bezahlt werden konnte. Für die schwer kranke Hildegard R. hätte dies lebensbedrohliche Folgen gehabt. Deshalb half der Verein schnell und unbürokratisch: Aus den Spenden der Aktion „Vorweihnacht der guten Herzen“ konnte der Verein die Stromrechnung begleichen. Zusätzlich wurden die Kosten für eine dringend notwendige Autoreparatur übernommen. Ebenso die Kraftfahrzeugsteuer und -versicherung. Das Auto des Paares ist schon sehr alt, aber unverzichtbar. Regelmäßig muss Hildegard R. in Schrobenhausen ihren Lungenfacharzt aufsuchen, von den vielen Terminen beim Hausarzt gar nicht zu reden. Zu Fuß kann sie auch kleine Strecken nicht bewältigen – denn das Sauerstoffgerät muss immer mit, damit sie richtig atmen kann. Das Rentnerpaar bedankt sich deshalb von ganzem Herzen beim Verein Familien in Not und allen Spendern der Aktion „Vorweihnacht der guten Herzen“: „Ohne diese Unterstützung hätten wir nicht gewusst, wie es weitergehen soll.“
Das gute beispiel des Vereins Familien in Not macht Schule: In Ingolstadt wurde vor kurzem ein Verein unter dem selben Namen gegründet, der ebenfalls Menschen mit besonders schwerem Schicksal helfen will – Menschen wie Hildegard R.
Von Karin Trouboukis
Verein hilft Familien in Not
Ingolstadt (DK) Der neue Verein „Familien in Not“ will eine Lücke schließen: Zahlreiche Verbände, Vereinigungen und Selbsthilfegruppen in der Region helfen bei Krankheit oder anderen Problemen, doch Menschen, die in einer akuten Notlage sind und dringend finanzielle Unterstützung brauchen, wissen oft nicht, an wen sie sich wenden können. Hier setzt „Familien in Not“ an. Gestern haben Vorstand und Gründungsmitglieder die nächsten Schritte besprochen.
„Familien in Not“ wurde Mitte Oktober gegründet, der Verein geht zurück auf die gleichnamige Institution im Landkreis Pfaffenhofen: Seit über 20 Jahren kümmern sich dort engagierte Bürgerinnen und Bürger um Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind. Pro Jahr sind das bis zu 80 Fälle. Das bewährte Konzept wird jetzt auf Ingolstadt übertragen. Im Vorstand sind, unter anderem Münsterpfarrer Isidor Vollnhals und Sibylle Hertel, bekannt von der Tafel. Auch Michael Schmatloch, Chefredakteur des DONAUKURIER, gehört zu den Gründungsmitgliedern.
Entscheidend für den Erfolg der „Familien in Not“ ist die Spendenbereitschaft der Menschen. Und so erläuterte Vorstandsmitglied Dieter Kastl, dass die Gemeinnützigkeit in wenigen Tagen eingetragen werden soll. Dann können Spenden steuerlich abgesetzt werden.
Die Unterstützung des DONAUKURIER und seiner Heimatzeitungen ist den „Familien in Not“ sicher: Er macht die neue Initiative zum Schwerpunktprojekt der diesjährigen Berichterstattung im Rahmen der Spendensammlung „Vorweihnacht der guten Herzen“.
Wem soll geholfen werden? Adelinde Biank, die Familienbeauftragte der Stadt Ingolstadt, skizzierte bei der gestrigen Sitzung zwei Fälle: Da ist zum einen die Mutter, deren Mann Selbstmord begangen hat, die im Rollstuhl sitzt und für ihre beiden Töchter kaum das Nötigste zum Leben hat. Zum anderen gibt es die Frau, die keine Arbeit findet, weil ihre Tochter nur von 8 bis 15.30 Uhr im Kindergarten ist. Aber das, was ihr Mann verdient, reicht nicht zum Leben. „Die Familie liegt genau über der Hartz-IV-Grenze“, sagte Biank.
Die Gründungsmitglieder wollen jetzt auf Firmen und Privatpersonen zugehen und um Unterstützung bitten. Wichtig ist ihnen, dass die begünstigten Familien sich in Notlagen befinden und nicht durch bestehende Strukturen wie Kommunen oder caritative Einrichtungen aufgefangen werden.
Wer sich für die Arbeit des Vereins „Familien in Not“ interessiert, wendet sich an Adelinde Biank, Telefonnummer (08 41) 3 05 11 63, E-Mail adelinde.biank@ingolstadt.de
Von Martin Schwarzott
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