Keinen Schritt ohne das Sauerstoffgerät

Wolnzach (DK) An den Wänden hängen Familienfotos, kleine Puppen in Rüschenkleidchen lachen aus dem Schrankfenster im Gang. Ein Stück heile Welt in einem Alltag, der für Johann R. und seine Frau Hildegard (Namen von der Redaktion geändert) seit vielen Jahren von Krankheit und finanziellen Sorgen geprägt ist.

In der kleinen, sozial geförderten Wohnung in Wolnzach hat sich das aus München stammende Paar im Jahr 2002 häuslich eingerichtet, soweit das seine bescheidenen finanziellen Mittel erlauben. Denn Hildegard R. ist schwer krank, leidet seit vielen Jahren an COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) – eine chronische Lungenerkrankung, die sich stetig verschlimmert hat und die einst so aktive Frau schließlich auch daran hinderte, einer Arbeit nachzugehen. Heute kann Hildegard R. keinen Schritt mehr ohne ihr Sauerstoffgerät tun, das 24 Stunden an die Stromzufuhr angeschlossen sein muss. Ohne Sauerstoff könnte Hildegard R. nicht überleben, könnte ihre Lungen nicht mehr selbstständig mit ausreichend Sauerstoff versorgen. „Das Gerät ist für sie lebenswichtig“, sagt ihr Mann, der immer wieder versucht hat, eine entsprechende Stromkostenübernahme über die Krankenkasse zu erreichen. Bislang ohne zufriedenstellenden Erfolg, denn die Krankenkasse gibt nur einen kleinen Zuschuss, den Löwenanteil der rund 60 Euro, die der Betrieb des Sauerstoffgerätes jeden Monat kostet, muss das Paar selbst stemmen – was es nicht kann. Denn nur rund 500 Euro monatlich haben sie zum Leben. Der einst selbstständige Münchner Maler hat es – wie er heute selbst einräumt – einfach versäumt, finanziell für das Alter vorzusorgen.

Heute ist Johann R. selbst krank und leidet zusätzlich noch an den Folgen eines Armbruches, den er sich im letzten Jahr zugezogen hat. Auch der allgemein angeschlagene Gesundheitszustand des Mannes ist schuld daran, dass der Bruch nicht richtig heilen konnte, dass es ihm große Schmerzen bereitet, Einkaufstüten zu schleppen, von Getränkekästen gar nicht zu reden.

„Wenn es einmal losgeht, dann hört es nicht mehr auf“, meint der über 70-Jährige fast schon resignierend. Beim täglichen Gang zum Briefkasten begleitet ihn die Angst, dass der Postbote wieder eine unvorhergesehene Rechnung gebracht haben könnte. Denn jede größere Zahlung stellt das Paar vor neue existenzielle Sorgen.

In tiefer Verzweiflung hatten sich die Beiden daher an den im Landkreis Pfaffenhofen seit dem Jahr 1990 tätigen Verein „Familien in Not“ gewandt, als das Energieversorgungsunternehmen mit der Stromabschaltung drohte, weil die Rechnung nicht bezahlt werden konnte. Für die schwer kranke Hildegard R. hätte dies lebensbedrohliche Folgen gehabt. Deshalb half der Verein schnell und unbürokratisch: Aus den Spenden der Aktion „Vorweihnacht der guten Herzen“ konnte der Verein die Stromrechnung begleichen. Zusätzlich wurden die Kosten für eine dringend notwendige Autoreparatur übernommen. Ebenso die Kraftfahrzeugsteuer und -versicherung. Das Auto des Paares ist schon sehr alt, aber unverzichtbar. Regelmäßig muss Hildegard R. in Schrobenhausen ihren Lungenfacharzt aufsuchen, von den vielen Terminen beim Hausarzt gar nicht zu reden. Zu Fuß kann sie auch kleine Strecken nicht bewältigen – denn das Sauerstoffgerät muss immer mit, damit sie richtig atmen kann. Das Rentnerpaar bedankt sich deshalb von ganzem Herzen beim Verein Familien in Not und allen Spendern der Aktion „Vorweihnacht der guten Herzen“: „Ohne diese Unterstützung hätten wir nicht gewusst, wie es weitergehen soll.“

Das gute beispiel des Vereins Familien in Not macht Schule: In Ingolstadt wurde vor kurzem ein Verein unter dem selben Namen gegründet, der ebenfalls Menschen mit besonders schwerem Schicksal helfen will – Menschen wie Hildegard R.

Von Karin Trouboukis

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Verein hilft Familien in Not

Ingolstadt (DK) Der neue Verein „Familien in Not“ will eine Lücke schließen: Zahlreiche Verbände, Vereinigungen und Selbsthilfegruppen in der Region helfen bei Krankheit oder anderen Problemen, doch Menschen, die in einer akuten Notlage sind und dringend finanzielle Unterstützung brauchen, wissen oft nicht, an wen sie sich wenden können. Hier setzt „Familien in Not“ an. Gestern haben Vorstand und Gründungsmitglieder die nächsten Schritte besprochen.

„Familien in Not“ wurde Mitte Oktober gegründet, der Verein geht zurück auf die gleichnamige Institution im Landkreis Pfaffenhofen: Seit über 20 Jahren kümmern sich dort engagierte Bürgerinnen und Bürger um Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind. Pro Jahr sind das bis zu 80 Fälle. Das bewährte Konzept wird jetzt auf Ingolstadt übertragen. Im Vorstand sind, unter anderem Münsterpfarrer Isidor Vollnhals und Sibylle Hertel, bekannt von der Tafel. Auch Michael Schmatloch, Chefredakteur des DONAUKURIER, gehört zu den Gründungsmitgliedern.

Entscheidend für den Erfolg der „Familien in Not“ ist die Spendenbereitschaft der Menschen. Und so erläuterte Vorstandsmitglied Dieter Kastl, dass die Gemeinnützigkeit in wenigen Tagen eingetragen werden soll. Dann können Spenden steuerlich abgesetzt werden.

Die Unterstützung des DONAUKURIER und seiner Heimatzeitungen ist den „Familien in Not“ sicher: Er macht die neue Initiative zum Schwerpunktprojekt der diesjährigen Berichterstattung im Rahmen der Spendensammlung „Vorweihnacht der guten Herzen“.

Wem soll geholfen werden? Adelinde Biank, die Familienbeauftragte der Stadt Ingolstadt, skizzierte bei der gestrigen Sitzung zwei Fälle: Da ist zum einen die Mutter, deren Mann Selbstmord begangen hat, die im Rollstuhl sitzt und für ihre beiden Töchter kaum das Nötigste zum Leben hat. Zum anderen gibt es die Frau, die keine Arbeit findet, weil ihre Tochter nur von 8 bis 15.30 Uhr im Kindergarten ist. Aber das, was ihr Mann verdient, reicht nicht zum Leben. „Die Familie liegt genau über der Hartz-IV-Grenze“, sagte Biank.

Die Gründungsmitglieder wollen jetzt auf Firmen und Privatpersonen zugehen und um Unterstützung bitten. Wichtig ist ihnen, dass die begünstigten Familien sich in Notlagen befinden und nicht durch bestehende Strukturen wie Kommunen oder caritative Einrichtungen aufgefangen werden.

Wer sich für die Arbeit des Vereins „Familien in Not“ interessiert, wendet sich an Adelinde Biank, Telefonnummer (08 41) 3 05 11 63, E-Mail adelinde.biank@ingolstadt.de

Von Martin Schwarzott

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